Wir packen es an!

Diese Leute hier und noch einige andere sind bei unserer Renovieraktion in der Calmbergstraße ab sofort VOLLDABEI. Bewohner_innen und Nachbarn arbeiten Hand in Hand und bereiten alles für die Kunstaktion Anfang November vor. Die Stimmung beim ersten Vorbereitungstreffen war super und das Projekt nimmt immer mehr Fahrt auf. Die ersten Material- und Möbelspenden sind eingegangen und Aufgaben verteilt. Das schöne Foto hat Chris Menkel gemacht.

Beitrag von Ute Krogull in der Augsburger Allgemeinen vom 9.10.2015

Ende Oktober soll es in der tristen Asylbewerberunterkunft an der Calmbergstraße bunt zugehen. „Kunst-Camp“ nennt sich das neue Projekt der Nachbarschaftsinitiative „Voll dabei“. Nachbarn, Künstler und Asylbewerber wollen den ersten Stock der alten Kaserne neu gestalten, Wände und eventuell auch Zimmertüren renovieren und bemalen. Eigentlich sollte das Heim geschlossen werden, es gibt bereits einen Belegungsstopp – lohnt sich die Mühe überhaupt noch?

Schließung utopisch

Susanne Thoma, Nachbarin aus dem Antonsviertel und Initiatorin der Aktion, hält die von der Regierung von Schwaben 2014 angekündigte Schließung angesichts der steigenden Asylbewerberzahlen für „utopisch“ und sagt: „Wir wollen mit dieser Situation nicht mehr leben, sondern das Haus gestalten. Es ist kein Provisorium.“

Es ist lange nichts geschehen

Viel zu lange sei in dem 150 Jahre alten Gebäude nichts gemacht worden, stets mit der Begründung, es werde bald geschlossen. Und bei der Veränderung geht es dem Team um mehr als ein bisschen Farbe. Es sollen auch neue Kontaktmöglichkeiten zwischen den Bewohnern und mit den Nachbarn entstehen. 120 Männer leben dort, viele schon über zehn Jahre. Sie kommen aus dem Irak, Afghanistan, afrikanischen Krisenstaaten. Viele sind depressiv, haben keinen Job. Sachbeschädigungen sind keine Seltenheit, oft auch von „Gästen“, die zum Trinken vorbeikommen. Hausleiter und Hausmeister sind laut Thoma überlastet, weil sie sich auch um andere Unterkünfte kümmern müssen. Zuletzt war die Unterkunft in die Schlagzeilen geraten, weil Bewohner Drogen an Schüler verkauft hatten. Es gab eine Razzia. Zurzeit herrscht offenbar Ruhe.

Kommt auch soziale Kontrolle?

Thoma hofft, dass die Initiative auch den Erfolg hat, andere Leute in die Unterkunft zu holen, sodass eine Form sozialer Kontrolle entsteht. Dazu soll der Gemeinschaftsraum aufgewertet werden. Dort ist bereits eine Fahrradwerkstatt untergebracht. Eine Küchenzeile und Kaffeeecke sollen dazu kommen, sodass sich ein Treffpunkt entwickeln kann, den ein Team aus dem Haus betreut und wo auch öffentliche Veranstaltungen wie Filmabende oder Lesungen stattfinden. Die Arbeiten sind hier, im Erdgeschoss, schon angelaufen. Im ersten Stock soll es am 30. Oktober losgehen. Dort ist das Büro des Asylsozialberaters Hong-Lam Pham, in der Ecke davor gibt es WLAN – all das sorgt für eine gewisse Zentrumsfunktion.

Bewohner freuen sich

Die Nachbarn haben bereits Künstler angesprochen und Bewohner informiert. Der Iraker Dilshad Said, der seit 16 Jahren in dem Heim lebt, koordiniert die Arbeiten. Viele andere helfen, begeistert, dass sie etwas zu tun haben. Der Afghane Hassan Ahmadi, der seit vier Jahren in der Unterkunft lebt, weil er trotz Job keine Wohnung findet, meint: „Ich freue mich, dass etwas getan wird – und die anderen auch. Wir wollen, dass es schöner wird.“

Das „Kunst-Camp“ läuft von 30. Oktober bis 7. November täglich von 16 bis 21 Uhr. Thoma sagt: „Wir profitieren von der Dynamik, dass jetzt viele helfen wollen.“ Das Kernteam von „Voll dabei“ ist gewachsen. Helfer, Künstler, vor allem aber Spender (Farbe, Pinsel, Rollen, Geld etc.) sind aber willkommen, denn die Initiative stemmt das Projekt aus eigenen Mitteln.

Umstrittenes Gebäude

Die Unterkunft neben dem Polizeipräsidium ist seit Jahren umstritten. Sie besteht seit den 70ern. Weil nie mehr als das Nötigste getan wurde, gilt sie als schlechtestes Asylheim in Bayern. Der Stadtrat verabschiedete eine Resolution, in der sie als menschenunwürdig bezeichnet wurde. Am Mittwoch, 4. November, 20 Uhr, findet daher unter dem provokanten Titel „Schöner Wohnen“ eine Gesprächsrunde über die sinnvolle Gestaltung von Asylunterkünften statt.

Mit dabei sind die Innenarchitektin Julia Rothmeier und Sozialreferent Stefan Kiefer. Rothmeier hatte ihre Abschlussarbeit über das Thema geschrieben (AZ berichtete). Sie legt dar, wie man mit einfachen Mitteln für bessere Bedingungen sorgen kann – zum Beispiel Vorhänge als Abtrennung in Mehrbettzimmern oder fest installierte Abfalleimer im Sanitärbereich. Falls es gut läuft, hat Susanne Thoma noch mehr Pläne. Sie wünscht sich Beete auf dem Grünstreifen vor dem Gebäude.